Wabi-Sabi und die Liebe zur Unvollkommenheit
Seid ihr es auch leid, euch für Unvollkommenheiten & Makel zu verstecken oder zu schämen? Egal ob es um den eigenen Körper, Gedanken, Neigungen oder Lebenskonzepte geht – wir leben in einer Gesellschaft, in der wir permanent mit Werten, Normen und Idealen konfrontiert werden. Wie können wir bei all dem Druck von außen unsere Verbindung zu uns selbst erhalten oder sogar stärken und wieder mehr Selbstbestimmung und Leichtigkeit spüren?
Wabi-Sabi und die Schönheit des Nicht-Perfekten
Wie wäre es, wenn wir in den Unvollkommenheiten unseres Lebens die wahre Schönheit entdecken würden anstatt vermeintlichen gesellschaftlichen Idealen hinterher zu laufen? Wenn unser Leben in Einklang mit den Dingen wäre, die uns wirklich am Herzen liegen, anstatt uns krank machen zu lassen von übermäßigen Verpflichtungen, ständigen Vergleichen und innerer Kritik? #WabiSabi, das japanische Konzept zur Wahrnehmung von Schönheit macht es genau so! Es orientiert sich stark an der Gegenwart und betont das Annehmen von #Widersprüchlichkeit und #Uneinigkeit.
Es gibt im japanischen keine allgemeingültige Definition für Wabi-sabi, jeder Versuch ist sehr subjektiv, aber ich versuche es mal:
Wabi bedeutet in etwa sich einsam und verloren fühlen und die Demut gegenüber der Natur und im übertragenden Sinne spiegelt es die Einfachheit der Dinge wider.
Sabi steht für die Auswirkungen von Mensch und Zeit und bedeutet so viel wie Patina oder Reife, welche älteren und unvollkommenen Dingen ihren Glanz verleiht.
"Wabi-Sabi ist die Akzeptanz und Wertschätzung des unbeständigen, unperfekten und unvollkommenen Wesens allen Seins." – Beth Kempton
Demnach ist also nicht die offenkundige Schönheit das höchste Gut, sondern die verhüllte, nicht der unmittelbare Glanz der Sonne, sondern der gebrochene Schein des Mondes. Der bemooste Fels, das grasbewachsene Dach die knorrige Kiefer, der leicht verrostete Teekessel – in ihnen finden wir erst wahre Schönheit. Damit bildet Wabi-Sabi einen krassen Gegensatz zur Digitalisierung und unserer reproduzierbaren Hochglanz-Ästhetik.
Wabi-Sabi ist ein Herzenszustand. Man spürt einen Augenblick tiefe, innige #Wertschätzung. Wir erfahren dieses Gefühl, wenn wir so #authentisch und inspiriert wie möglich sind. Es geht darum, die Welt mit fühlendem Herz, statt mit logischem Verstand zu betrachten und uns Zeit fürs #Achtsamkeit zu nehmen. So können wir uns von Perfektion verabschieden und uns so akzeptieren, wie wir sind. Wir können uns von den Zwängen der materiellen Welt befreien und mit weniger zufrieden sein. Wir können die Schönheit im Alltäglichen erkennen, uns davon berühren lassen und tiefe #Dankbarkeit für das Leben spüren.
Die japanische Philosophie nutzen, um zu uns selbst zu finden
Wir werden den ganzen Tag damit konfrontiert, wie wie auszusehen haben, wie wir leben sollen, was wir essen sollen, wieviel wir verdienen sollen, etc. Viele von uns beschäftigen sich dadurch vermutlich mehr mit dem Leben anderer und wie sie ihnen gefallen können als mit ihrem eigenen. Dazu kommt eine enorme Dynamik – wir müssen funktionieren, sonst gehören wir nicht mehr dazu. Da ist es kein Wunder, dass psychische Erkrankungen immer mehr zunehmen, weil wir uns ausgebrannt, überfordert, leer und erschöpft fühlen.
Wen wir anfangen innerlich zu träumen, werden wir direkt mit etlichen glitzernden Erfolgsgeschichten bombardiert, dass wir uns schnell fragen, ob da überhaupt noch Platz für uns ist und wo wir eigentlich hingehören. Wir haben immer das Gefühl noch nicht genug zu sein. Doch häufig unterscheidet sich das, wonach wir im Äußeren streben von dem wonach wir uns tief im Inneren sehnen. Wir müssen dafür jedoch innehalten, genau hinhören und hineinfühlen.
Neue Wege gehen
Wir brauchen neue Methoden, um das Streben nach mehr und noch Besserem hinter uns lassen zu können, Wege der Entschleunigung, damit das Leben nicht einfach so an uns vorbeizieht. Wenn wir uns selbst die Erlaubnis erteilen, die Kritik und das endlose Streben nach Perfektion sein zu lassen, dann können wir uns selbst und andere als die perfekt unperfekten Geschenke begreifen, die wir sind.
Das Schöne versteckt sich an den unwahrscheinlichsten Orten, wodurch jeder Tag ein Tag voll Freude werden kann.
Übungen für den Alltag
1. Kritik an anderen als Spiegelbild für eigenen ungelebte Bedürfnisse nutzen
Wenn du merkst, dass du andere kritisieren willst, halte kurz an und überlege dir, was du dir möglicherweise selbst nicht erlaubst, was du nun an anderen bemängelst. Versuche stattdessen doch mal deine eigenen Bedürfnisse dahinter zu erkennen.
Beispiel: Ich habe lange Zeit Menschen in meinem Umfeld dafür kritisiert, wenn sie zu spät gekommen sind. Ich habe dabei den Wert #Zuverlässigkeit immer hoch gehalten. Ich selbst habe mir das nie erlaubt, ich war lieber eine Stunde zu früh, als zu spät zu einer Verabredung zu kommen. Dabei habe ich mich oft extrem gestresst. Bei näherem Hinsehen habe ich erkannt, dass dahinter z.B. das Bedürfnis nach Selbstbestimmung steht, das ich mir selbst an vielen Stellen verwehrt habe, weil ich den Wert Zuverlässigkeit stärker bewertet habe. Wenn wir uns erlauben, dass beides sein darf, können wir die Dinge mit mehr Leichtigkeit sehen. Heute bin ich (meist) nicht mehr so streng mit mir und anderen.
2. Bank-Meditation
Setze dich für einen Moment auf eine Bank, z.B. in einem Park oder in einer Fußgängerzone. Beobachte die Unvollkommenheiten, die du entdecken kannst und versuche ihnen etwas Positives abzugewinnen. Vielleicht siehst du z.B. eine alte Hausfassade neben einer neuen, bemerkst ihren Charme und gerätst in Gedanken, was dieses Haus wohl schon alles erlebt hat. Nimm einfach wahr, welche Gedanken dir kommen und lass dich eine Weile treiben.
3. Reframing im Alltag für mehr Resilienz
Wenn in einem Alltag mal wieder etwas ganz anders läuft als geplant, versuche darin etwas Positives zu sehen. Wie könntest du die Situation für dich nutzen?
Beispiele:
Wenn ich mit meinem schweren Koffer nach einer langen Reise am Bahnhof an eine Rolltreppe komme und diese nicht funktioniert, kann ich mich ärgern oder ich kann es als Workout sehen und mir am nächsten Tag dafür das Joggen sparen.
Wenn ich in einen Stau komme, kann ich mich darüber wahnsinnig ärgern oder ich kann die Zeit für eine Meditation nutzen, ein inspirierendes Hörbuch oder ein Telefongespräch mit einer Freundin, die ich lange nicht gehört habe.
4. Alt statt neu
Bevor du dir das nächste Mal etwas Neues kaufst, überlege zunächst einmal, ob du nicht vielleicht etwas Altes dafür umgestalten, #upcyceln oder wiederverwenden kannst. Schau doch mal im Keller oder in der Garage / schuppen deiner Eltern. Du wirst staunen, was man mit ein bisschen Kreativität aus alten Sachen machen kann. Und du wirst sehen, dass diese häufig eine ganz neue Schönheit mitbringen als ein perfektes Massenprodukt.
Quellen:
Beth Kempton: Wabi Sabi – Die japanische Weisheit für ein perfekt unperfektes leben
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